Sonntag, 2. September 2012

The World and Other Places (Jeanette Winterson)

(zu dt.: „In dieser Welt und anderswo”)

„Hier, in ihrer ersten Kurzgeschichtensammlung enthüllt Jeanette Winterson alle Facetten ihrer außergewöhnlichen Vorstellungskraft. Egal ob sie uns in bizarre neue Gefilde führt – zu einer Welt, in der Schlaf illegal ist; zu einer Insel aus Diamanten, auf der die Reichen Schmuck tragen, der aus Kohlen gefertigt ist – oder sich perfekt und exakt die Freude und den Schmerz, einen nigel-nagel-neuen Hund zu besitzen, in Erinnerung ruft, sie zeigt sich als Meisterin der Kurzform.
In Prosa, die fast taktil, voller Wunder und Wortspiel ist, kreiert sie Welten, […] die vertraut und doch auch schockierend fremd sind.“ (Klappentext, übersetzt aus dem Englischen)

Die Autorin schrieb die 17 Kurzgeschichten, die in diesem Buch zu finden sind,  innerhalb von 12 Jahren, beginnend bald nach der Veröffentlichung ihres Debütromans „Oranges are not the only fruit“ („Orangen sind nicht die einzige Frucht“) , der 1985 erschien. Sie zeigen nicht nur gekonnt den immensen Ideenreichtum von Jeanette Winterson, sondern auch ihre Wortgewandtheit und stilistische Entwicklung über diesen Zeitraum.

Immer wiederkehrende Themen wie Lust und Liebe, das Schwanken zwischen Glück und Trauer, das Gefühl anders als die anderen zu sein, sich in der Gesellschaft nicht richtig eingliedern, und seine Träume nicht verwirklichen zu können, werden oft in pseudorealistische Settings eingebettet, bei denen kleine, eingestreute, surrealistische Details den Leser schon mal stutzen lassen. So laminiert zum Beispiel in der Geschichte „Newton“ eine Frau all ihre verstorbenen Angehörigen und stellt sie wie Statuen auf ihren Plastikrasen im Garten und so taucht man in einer weiteren Erzählung („Disappearance I“) in eine triste Zukunft ein, in der Schlafen offiziell abgeschafft wurde.
Die zweite Sorte Kurzgeschichten des Buchs handelt von Reisen: von Leuten, die aufbrechen und sich in Abenteuer begeben, ganz gleich ob sie letztendlich finden, wonach sie suchen, oder von fremden, wundersamen Ländern, die einen in Staunen versetzen. So wird mit dem Schiff gereist („Atlantic Crossing“), mit dem Flugzeug die Welt beflogen („The World and Other Places“) und so werden die Inseln der vier Elemente beschrieben, die Feuer spucken, unter Wasser versinken, voller Diamanten sind oder in luftigen Höhen ständig ihren Standort wechseln („Turn of the World“).

Natürlich sind manche Erzählungen mehr und manche weniger gut. Dennoch zieht sich durchwegs ein hoher stilistischer und inhaltlicher Standard durch das Werk, der einen auch manchmal über eine (subjektiv) uninteressantere Passage hinwegtröstet.

Ein Grund, warum ich Bücher britischer Autoren gerne in Originalsprache lese, ist, dass sie es meist verstehen, Sprache sehr nuanciert einzusetzen (etwas, das in Übersetzungen leicht verloren geht) und „The World and Other Places“ hat mich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Jemand mit Englisch im Abiturniveau, sollte keine Verständnisprobleme haben und höchstens einzelne ungeläufige Vokabeln nachschlagen müssen.

Zum Schluss möchte ich noch (um neugierig auf mehr zu machen) auf eine Erzählung des Buches eingehen, die mich besonders beeindruckt hat:
In „Orion“ verknüpft Winterson Astronomie geschickt mit Mythologie, erzählt die (nicht allzu bekannte) Geschichte von Artemis und Orion, neu und frisch. Hier ein Auszug in Englisch, der sehr schön den ruhigen, fließenden Stil der Autorin illustriert:
„Artemis, lying beside the dead Orion, sees her past changed by a single act. The future is still intact, still unredeemed, but the past is irredeemable. She is not who she thought she was. Every action and decision led her here. The moment had been waiting, the way the top step of the stairs waits for the sleep walker. She had fallen and now she is awake. As she looks at the sky, the sky is peaceful and exciting. A black cloak pinned with silver brooches that never need polish. Somebody lives there, for sure, wrapped up in the glittering folds. Somebody who recognized that the journey by itself is never enough and gave up spaceships long ago in favour of home.”

1 Kommentar:

  1. Ich habe dieses Jahr "Orangen sind nicht die einzige Frucht" von ihr gelesen, das war auch klasse.

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